Das Gebäude, in dem die Priesterseminare Wien, St.Pölten und Eisenstadt seit 2012 gemeinsam untergebracht sind, blickt auf eine bewegte Geschichte zurück.

1717

In diesem Jahre kaufte eine Gruppe aus Spaniern und Belgiern, die mit Karl VI. nach Wien gekommen waren „Drey Hofstatt Weingarten in der Schottenpoint“, um ein Spital zu errichten. Schon zuvor diente das draufstehende Haus seit 1713 als Lazarett für Pestkranke.
Kaiser Karl VI. erließ den Befehl zum Bau des „Spanischen Spitals“ und der dazugehörigen Kirche „Santa Maria de Mercede“. Baubeginn war am 12. Februar 1718, dem Festtag der heiligen Eulalia von Barcelona. Gebaut wurde das Spital vom Architekten Anton Ospel.

1722

Am 2. August wurde der Grundstein zum Spital gelegt. Die Bauzeit betrug 8 Jahre, von 1718-1726.

1723-1753

Die Verwaltung des Spanischen Spitals vertraute Karl VI. zwei von ihm ausgewählten Ministern / Superintendenten des in Wien tätigen Spanischen bzw. Niederländischen Rates an. Sie sollten es auf ausdrücklichen Wunsch des Kaisers nach spanischem Brauch verwalten. Mit einigen für dieses Amt Beauftragten und dem Prior bildeten die Superintendenten die Ratsversammlung des Spitals, das als Institution dem Kaiser unterstand.
Die Leitung der Anstalt hatte der Orden der Mercedarier („Weißspanier“ wegen ihres weißen Habits, im 13. Jhd. von den Heiligen Petrus Nolascus und Raimund de Penaforte sowie von König Jakob I von Aragon gegründet) inne.

1725

Das Spanische Spital bot zunächst Platz für 90 Betten, für Wohnungen der Angestellten und eines Superintendenten. Da man bald mit dem Gebäude räumlich in die Enge geriet und zunehmend Platznot herrschte, wurde am 13. November dazu noch das Nachbarhaus, heute Boltzmanngasse 7, erworben.

1741

Die ursprüngliche Bestimmung behielt das spanische Spital nur bis zum Tode Karls VI., danach ließ es im Jahre 1741 seine Tochter Maria Theresia zu einem Militärkrankenhaus erweitern und um einen dritten Stock ausbauen, wo in dieser Etage kranke Soldaten jeglicher Nation verpflegt wurden. Das Spital erweiterte sich von 90 auf 286 Betten.

1752

Am 6. Dezember zerstörte das durch einen Blitzschlag entstandene Schadensfeuer das Dach des Spitales und beschädigte einen Stock. In der Folgezeit wurde es wiederhergestellt.

1753

Maria Theresia übergab das „Spanische National-und Militär Spital“ der Niederösterreichischen Regierung und Kammer zur Verwaltung und entzog aufgrund schlechter Verwaltung und Rückgang der Einkünfte dem Spanisch-Niederländischen Rat die Kompetenz.

1754

Die Niederösterreichische Regierung und Kammer ließ durch die Mitglieder ihrer untergebenen Stiftungskommission die Verwaltung des Spanischen-, sowie des Dreifaltigkeitsspital untersuchen und empfahl die Vereinigung hinsichtlich Unterbringung und Verwaltung. So beschloss die Kaiserin, das Dreifaltigkeitsspital (Heiligen-Dreifaltigkeits-Spital) und des mit diesem vereinigte Breitenfurter Spital am Rennweg aufzulassen und mit dem Spanischen Spital zu vereinen und in den Alsergrund zu verlegen. Die Union führte zum wirtschaftlichen Erfolg.
Der Prozess zur völligen Unierung der Spitäler zog sich allerdings bis 1777 hinein.
Das Hauptkontingent an der im Spital betreuten Kranken dürften auch weiterhin die Soldaten gestellt haben. Die meisten zivilen Patienten kamen aus den Erblanden. Auch Geisteskranke wurde immer wieder aufgenommen.

1761

Das Spanische Spital war auch Wirkungsstätte des Erfinders der Perkussion, Dr. Leopold Auenbrugger. Bei dieser Entdeckung halfen Dr. Auenbrugger Kindheitserinnerungen: mit seinem Vater, einem Gastwirt, durfte er in den Keller steigen und beklopfte mit dem Finger Fässer, um zu hören, wieviel Flüssigkeit sich darin befände.

1776/77

Auf Anregung des berühmten Leibarztes Gerhard von Swieten (1700-1772) wurde im Spanischen Spital eine „Medizin-praktische chirurgische Lehrschule“ (1776-1784) eingeführt. Sie wurde von Maximilian Stoll geleitet und zur Ausbildung junger Ärzte eingerichtet.

1784

Durch Errichtung des Allgemeinen Krankenhauses wurde das Spanische Spital mit der Lehranstalt in seiner Funktion überflüssig und Joseph II. bestimmte die endgültige Schließung des Spanischen Spitals. Die Kranken wurden in den Neubau verlegt.

1785

Die Widmung zum Waisenhause erhielt das Gebäude unter Kaiser Joseph II. Das leerstehende Gebäude wurde zum Waisenhaus bestimmt, nachdem man zuvor die „militärischen“ von den Zivilwaisen getrennt hatte, bot es Raum für 500 zivile Zöglinge; ca. 3000 mussten immer außerhalb des Hauses andernorts untergebracht und verpflegt werden.
Anfangs waren am Waisenhaus ein geistlicher Direktor und ein geistlicher Vizedirektor angestellt, später war nur mehr ein Priester an der Anstalt tätig.

„Die Waisen zu ernähren und zu lehren“ steht in lateinischer Sprache als Widmung Joseph II. auf dem Bau auf einer Marmortafel im Innenhof des Gebäudes. Fast zwei Jahrzehnte nach der Gründung wurde sie Wirklichkeit. In den Wirren der napoleonischen Kriege übernahm Franz Michael Vierthaler die Leitung. Unfähigkeit, Korruption und Bürokratismus hatten die Anstalt herabgewirtschaftet.

1810

Die Knabenschule des Waisenhauses wurde zu einer vierklassigen Hauptschule erhoben. Auch externe Kinder konnten die Schule besuchen.

1857

Die Organisation des Waisenhauses wurde einer tiefeingreifenden Reform unterzogen.
Zunächst übernahmen die Schulbrüder nur die Aufsicht, später die Verwaltung und 1858 die Volksschule. Um die Jahrhundertwende hatte die Anstalt eine achtklassige Volks-und Hauptschule, die bis zum Ende des Waisenhauses bestehen blieb.

1912/13

Bis 1912 verblieb das Waisenhaus im ehemaligen Spital, im Jahre 1913 wurde die Anstalt nach Lainz verlegt und das fürsterzbischöfliche Alumnat übernahm das Gebäude. Das leerstehende Gebäude samt Garten wurde vom Erzbischof von Wien für das Mensalgut angekauft.

1913/1914

Das Gebäude des sogenannten Curhauses bei St. Stephan (heute Stephansplatz 3), worin das Priesterseminar seit seiner Gründung im Jahre 1758 untergebracht war, schien durch die Vergrößerung der Theologenanzahl den räumlichen und sanitären Anforderungen nicht mehr gewachsen. Eine weitere Adaptierung von Räumlichkeiten oder ein fünftes Stockwerk dem ursprünglich dreistöckigen Haus aufzusetzen, schien nicht mehr möglich. So machte man sich schon längere Zeit Gedanken um eine Verlegung des Priesterseminars in eine andere Lokalität.
Der Plan, das Priesterseminar in das durch die Transferierung des Waisenhauses freiwerdende Gebäude zu verlegen, tauchte erstmalig im Herbst 1905 auf.
Weihbischof Marschall erfuhr von der Möglichkeit, die Liegenschaft in der Boltzmanngasse erwerben zu können. Durch ihn geschahen zur Verwirklichung des Kaufes einige Schritte, die aber zu keinen konkreten Ergebnissen führte. Erst unter Kardinal Nagl (1911-1913) wurde die Übertragung des Priesterseminars an einem neuen Standort spruchreif und man konnten den Plan mit dem Waisenhaus realisieren.
Der diesbezügliche Kaufvertrag wurde am 31.Jänner 1913 zwischen der k.k.niederösterreichischen Stadthalterei und dem erzbischöflichen Ordinariat abgeschlossen.
Für das Priesterseminar wäre das alte Waisenhaus zu klein gewesen, sodass man sich zur Errichtung eines Anbaues entschloss, nachdem einige Nebenbauten abgerissen wurden. Der Anbau wurde links von der Kirche nach den vom Architekten Gangl überarbeitenden Plänen des einstigen Spirituals und späteren Domkapitulars und Probstpfarrers von der Votivkirche, Prälat Josef Mord, erbaut.
Die Übersiedelung ins Alumnat in der Boltzmanngasse wurde im Sommer 1914 begonnen und beanspruchte viel Zeit und Mühe. Mit Rücksicht auf die unter Regens Gustav Müller angewachsene Größe der Bibliothek des Seminars und auch aus praktischen Gründen wurde mit der Transferierung der Bücher begonnen.
Die Übersiedelung wurde von einem kleinen Transportunternehmen besorgt.
„Am Donnerstag, 26. November erhielt das neue Priesterseminar im Beisein der Vertreter der hohen Regierung und des Diözesanklerus von Seiner Eminenz, unserem hochwürdigen Oberhirten die kirchliche Weihe“, so das Wiener Diözesanblatt Nr. 23 vom 15. Dezember 1914; S.211

1914-1918

Die drohende Kriegsgefahr hatte schon im Studienjahr 1912/13 Auswirkungen

1928

Am 9. Oktober weihte Kardinal Piffl, die große Marienstatue im äußeren Teil des Seminargartens.

1932/1933

Bis Ende des Schuljahres wohnten die Burgenländischen Theologen, trotz der Erhebung der Diözese Eisenstadt am 18.Mai 1922 zur Apostolischen Administratur, noch weiterhin im Alumnat der Erzdiözese und waren der Vorstehung anvertraut. Im Juli 1935 verließen die 35 burgenländischen Theologen das Wiener Priesterseminar und übersiedelten in ihr neues Heim in der Habsburgergasse in Wien I.

2011

Anfang Oktober 2011 begannen die umfassenden Umbauarbeiten im Priesterseminar für die bevorstehende Zusammenführung dreier Priesterseminare (Wien-Eisenstadt-St.Pölten). Der weitreichende Umbau bedeutete u.a. eine Vergrößerung des Wohnraumes der Seminaristen, aber auch den Einbau von Sanitäranlagen in jedes Zimmer. Im Zuge dessen wurde der Haupteingang von der Boltzamanngasse in die Strudlhofgasse verlegt und ein neuer „Welcome-Bereich“ eingerichtet. Der Umbau wurde auch zum Anlass genommen, das Priesterseminar den entsprechenden Vorschriften und Vorgaben der Brandschutzbestimmungen baulich anzupassen. Das Priesterseminar sollte barrierefrei gestalten und ein Aufzug installiert werden. Auch der Eingangsbereich vor und auf dem Parkplatz wurde neu gestaltet.

2012

Die Priesterseminare Wien, St. Pölten und Eisenstadt wurden am heutigen Standort zusammengeführt. Fortan findet die Ausbildung für alle 3 Diözesen in dem Gebäude in der Boltzmanngasse/Strudlhofgasse statt.

2016

Neugestaltung des Kulturraumes und Umbau der Handbibliothek / Seminarbibliothek

2018/19

Außenrenovierung: Neueindeckung aller Dachflächen, Generalsanierung aller Fassadenteile und Erneuerung aller Fenster.

Quellen:

  • Leopold Mathias, Das Wiener Priesterseminar. Seine Entstehung im Jahre 1758 und sein Wandel durch die Jahrhunderte. Dissertation; Erscheinungsjahr: 1975
  • Walter Kratzer, Das Spanische Spital und die mit ihm vereinigten Spitäler, sowie die Kirche „St. Maria de Mercede“. 1718-1785; Erscheinungsjahr: 1980; Herausgeber: Wiener Katholische Akademie; 1010 Wien, Freyung 6, I. Stiege, 1.Stock
  • Wiener Diözesanblatt: Die Einweihung des neuen Alumnates. 15.Dezember 1914; Herausgeber: Fürsterzbischöfliches Ordinariat; Wien; Nr. 23; Seite 211-213
  • Christiane Salge: Anton Johann Ospel. Ein Architekt des österreichischen Spätbarock 1677-1756; Erscheinungsjahr: 2007; Herausgeber: Prestel Verlag; München